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Der Käsemeister

Herr Kofler, für die Schweizer ist es der Appenzeller, für die Italiener der Fontina. Die Spanier schwärmen von ihrem Roncal, die Franzosen loben ihren Comté in den Himmel. Und in Südtirol heißt es, schmeckt ausgerechnet ihr Käse von der „Jägerrast“ in Vorderkas am besten. Was stimmt denn nun?
Wenn einige Menschen behaupten, dass mein Käse am besten schmeckt, dann will ich mal gar nicht so sein. Ich bin ein höflicher Mensch, möchte ihnen nicht gleich zu Anfang widersprechen (grinst).

Wie viele Kühe haben Sie denn hier oben auf 1700 Metern?
Immer 10 bis 12 Schwarzbunte, so nennt sich diese Hochleistungs-Rasse. 

Und wie viele Liter geben ihre „Leistungssportler“ so?
Im Jahr kommt eine Kuh wie die „Franzi“ oder „Falba“ auf gut 7000 bis 7500 Liter. Diese Rasse könnte auch deutlich mehr abgeben – das will ich aber nicht. Ich möchte, dass es unseren Kühen das ganze Jahr und das ganze Leben gut geht und wir sie so behandeln wie ich behandelt werden möchte. Qualität vor Quantität. Denn wenn es meiner Kuh gut geht, geht es auch mir gut. Das ist seit Jahrzehnten mein Motto. 

Was aber machen Sie mit den tausenden Litern von Milch?
Einen Teil verarbeiten wir zu Vollmilchkäse, Weichkäse, Frischkäse, Bergkäse und Joghurt, den anderen Teil unserer wertvollen Bergmilch geben wir an Molkereien, Geschäfte sowie an ausgewählte Hotels wie die ‚Goldene Rose’ in Kartaus ab. Paul und Steffi Grüner bekommen von uns ganz viel Frischkäse und mittelreifen Schnitt-Käse. 

Wenn Ihre Milch so wertvoll ist: was kann dann Ihr Käse was andere nicht können?
Das hört sich jetzt vielleicht ein wenig abgedroschen an, ist aber so: aufgrund unserer Höhenlage und der vielen Sonnenstunden hier im Pfossental in den Ötztaler Alpen, südlich des Alpenhauptkamms, ist der Geschmack unseres Käses nicht nur einzigartig, er schmeckt einfach ganz anders als alle anderen Käsesorten. Das haben wir im vergangenen Herbst besonders gespürt.

Inwiefern?
Wir waren restlos ausverkauft. Jungen Käse produzieren wir ja Tag täglich, vom „alten“ war nichts mehr da. Nicht ein Laib! Ganz oft müssen wir auch deutschen Hotels und Restaurants absagen. Erst vor ein paar Tagen wollte ein Hotel jede Woche von uns 200, 300 Kilo beliefert bekommen. Das geht nicht. Schließlich bekommen zuerst Vorzeigehäuser wie das von Paul Grüner hier im Schnalstal unseren Käse. Und wenn dann noch was übrig ist, alle anderen. Das ist aber nicht so oft der Fall. 

Warum schmeckt ihr Käse aber anders?
Weil unsere Kühe auf 1700 Meter und mehr andere Gräser zu fressen bekommen. Unten im Tal hätten sie nur die Chance normales Gras zu fressen, hier oben aber wächst Berg-Heu mit vielen Kräutern. Deswegen hat unser Käse auch im Sommer einen völlig anderen Geschmack als im Winter. 

Das müssen Sie bitte erklären.
Im Winter bekommen unsere Kühe ja „nur“ normales Heu zum Fressen. Dieses ist im Vergleich zum normalen Gras viel härter. Darüber hinaus ist die Reifezeit im Winter auch trotz der gleichbleibenden Temperaturen im Reiferaum von 12 bis 15 Grad und der Luftfeuchtigkeit von rund 90 Prozent immer länger. 

Könnten Sie Ihren Kühen eigentlich was Natürliches beimischen um den Käsegeschmack irgendwie zu verändern? Starbucks bietet ja auch neben dem normalen Kaffee auch einen Iced Flavored Café, einen Lebkuchen-Latte und einen Kakao-Cappuccino an.
So einen Schmarrn machen wir nicht! Außer dem Kraftfutter bekommen unsere Kühe überhaupt nichts ins Futter gemischt. Kraftfutter mischen wir aber nur aus einem einzigen Grund mit weil Gras sehr viel Eiweiß enthält. Damit unsere Franzi’s und Falba’s auch genügend Power haben, brauchen sie aber noch Stärke, also ein Makromolekül das zu den Kohlenhydraten zählt. Die Rechnung geht auf. Seit 2002 ist unser Käse weit über die Grenzen von Südtirol bekannt. Einige Käse-Liebhaber nehmen sogar Fahrtstrecken von ein paar Hundert Kilometern in Kauf nur um „ihren“ Käse zu kaufen. 

Wenn ich Ihnen die Augen verbinde würde, würden Sie ihren Käse bei einer Blind-Verkostung unter vielen „herausschmecken“?
Selbstverständlich! Das ist ja der große Unterschied zwischen einem großen Industriebetrieb und Manufakturen wir unserer. Ich kenne jede Kuh und jedes Ferkel von Jung an. Mit Namen und Geburtsdatum! 

Jetzt stehen wir hier unten bei Ihnen im Reiferaum…
…wo ich eigentlich normalerweise niemanden reinlasse. Umso weniger Einflüsse von außen hier reinkommen, umso besser. Hygiene ist nun Mal das A und O bei der Käseverarbeitung. Darüber hinaus ist der Raum eine Wissenschaft für sich. Je höher der Käse in dem 2,50 Meter hohen Raum liegt, desto höher sind die Temperaturen und niedriger die Luftfeuchtigkeit. Je weiter unten der Käse liegt, desto kühler und feuchter ist es. Das muss man wissen, wenn man ihn abwechselnd von unten nach oben lagert. 

Wann machen Sie das immer genau?
Das verrate ich niemandem, das ist mein großes Betriebsgeheimnis (lacht). Nein, im Ernst: einst hat mir einer der erfahrensten Käse-Meister das Know-how beigebracht, den Rest habe ich mir ganz einfach autodidaktisch beigebracht. Selbst heute, nachdem ich gefühlt hunderte von Tonnen produziert habe und gerade 2000 Laibe hier unten reifen, lerne ich jeden Tag dazu. Manchmal bin ich selbst noch etwas nervös. 

Warum das denn?
Wenn ich heute einen Käse herstelle, weiß ich ja erst in zwei Monaten, ob er etwas geworden ist. Das ist der Unterschied zu einem Journalisten, einem Handwerker oder einem Metzger: sie alle wissen meist schon einen Tag später ob die Leute ihre „Ware“ gut finden oder nicht. 

Aber können Sie sich jeden Käselaib merken?
Wie ein guter Rechnungsprüfer führe ich ebenfalls jeden Tag Buch. Manchmal komme ich mir wie ein Wirtschaftsprüfer von KPMG in Bozen vor, so ordentlich, sauber und transparent dokumentiere ich alles. So weiß ich genau: „Aha! Stimmt, am 12. Juni hat es wie aus Kübeln gegossen. Deswegen war das Gras nass, deswegen schmeckt der Käse so.“ 

Wie essen Sie Ihren Käse selbst am liebsten?
Zunächst mal mag ich meinen Käse am liebsten wenn er schon vier bis fünf Monate alt ist. Also durchgezogen und so richtig schön reif. Erst in diesem Reifezustand entwickelt der „Kas“ die volle und breite Geschmacksvielfalt. Wenn man ihm die Chance gibt sogar noch älter zu werden, dann entwickelt er sogar eine richtig scharfe Note. Dann kann es sein, dass er auf der Zunge fast schon brennt, beißt und etwas bitter schmeckt. 

Und dazu einen schönen Rotwein?
Weißwein geht auch, aber so ein schöner Lagrein passt viel besser. Ich sage Ihnen: an einem schönen Sommerabend auf der Wiese zu sitzen, einen Korb mit Käse, Wein und Speck – das ist ein Gedicht. Oder bei der Jagd. Wenn ich im Herbst Gämse, Rehe und Hirsche jage ist Brot und Käse immer als Proviant dabei. Wirklich immer. 

Einige Menschen essen karamellisierte rote Zwiebeln, Birnen-Chutney oder eine Feigen-Senf Sauce zum Käse. Sie auch?
Kein Salz, kein Pfeffer, gar nix. Wenn ich etwas zum Käse esse, dann Schüttelbrot, Kaminwurzen, Speck und geräuchertes Fleisch. 

Und wenn Sie selbst am Herd stehen…
…gibt es Käseknödel mit Salat. Das liebe ich! Die könnte ich wirklich jeden Tag essen und ich esse sie fast jeden Tag. Die Deutschen mögen vor allem ihre Käsespätzle, die Italiener Lasagne und die Franzosen ihr Tartiflette. 

Haben Sie schon mal den perfekten Käse hergestellt?
Schon des Öfteren. 

Und was haben Sie da besser gemacht als bei Produktionen zuvor?
Wenn ich das wüsste... Ein Käse ist nun Mal ein natürliches Milcherzeugnis. Die Natur macht eben manchmal Dinge, von denen wir Menschen einfach keine Ahnung haben. Und das ist auch gut so!

Vielen Dank für das nette Gespräch und die Einblicke in Ihr Unternehmen.

Interview: Andreas Haslauer
Fotos: StefanSchuetz.com