Close

Die Kunst des Weins

Herr Aurich, was macht denn so ein gelernter Getränke-Technologe?
Seine Passion am Wein finden, zumindest gilt das für mich. In meinem Studium hatte ich mir zwar fest vorgenommen, dass Fruchtsäfte mich ein Leben begleiten sollen – allzu lange hielt diese Leidenschaft jedoch nicht an. Nichtsdestotrotz trinke ich heute immer noch gerne einen Fruchtsaft.

Als Schorle?
Nie. Immer pur. An einem schönen Sommertag so einen schönen Apfel- oder Tomatensaft, das schmeckt. So ein schöner Weißburgunder, ein köstlicher Müller-Thurgau, ein wohlschmeckender Riesling, ein fabelhafter Blauburgunder oder einer unser beiden tollen Cuvés…das ist noch einmal etwas ganz Anderes für mich. Das ist mein Leben.

Deswegen zogen Sie von Berlin in die Weinmetropole Südtirol…
…um zunächst bei einem großen Frucht-Verarbeiter und dann am Land- und Forst¬wirt¬schaft¬li¬chen Ver¬suchs¬zen¬trum Laim¬burg zu arbeiten. Es war die Zeit als vor allem die Schwei¬zer Kun¬den, die tra¬di¬tio¬nel¬l viele Südtiroler Weine kauften, nicht mehr so wie früher den Ver¬nat¬sch-Wein verlangten. „Möglichst viel, möglichst schnell, möglichst günstig“ war ein Auslaufmodell ¬– ein generelles Umden¬ken der Südtiroler Weinwirtschaft war absolut not¬wen¬dig. Den Wandel zum Qualitätsweinbaugebiet haben wir begleitet. In dieser Zeit merkte ich dann, dass der Wein es mir angetan hatte.

Wie meinen Sie das?
Wein ist mehr als andere Getränke, ist eng verflochten mit seiner Entstehung als Traube, die Witterung jeden Jahres setzt einen Stempel, schließlich ist der Wein auch der Spiegel des Menschens, seines individuellen Schaffens und am Ende ein Emotionsbringer – vorausgesetzt es ist kein Industrieprodukt.

Wer entscheidet denn ob ein Wein ein „guter“ oder „schlechter“ ist?
Nur derjenige der ihn trinkt. Niemand anders. Es gibt immer nur einen Menschen auf der ganzen Welt, der entscheidet: schmeckt oder schmeckt nicht. Und das sind Sie! Aus diesem Grund lassen wir unsere Kunden, die uns hier auf Juval besuchen, unseren Wein auch verkosten. Sie können kann dann entscheiden, ob ihnen der Wein gefällt, guttut, eine positive Emotion erzeugt oder nicht.

Sie sind für den preisgekrönten Juval-Wein seit 1992 hier auf rund 700 Metern Meereshöhe verantwortlich. Inwieweit haben Sie Ihren Wein in den vergangenen 26 Jahren besser gemacht?
Früher haben wir unseren Weißburgunder einem biologischen Säureabbau unterzogen. Die Säure haben wir so reguliert, dass wir die Apfel- zu Milchsäure werden ließen. Dadurch wurde der Wein zwar geschmeidiger, mir ging aber das Ursprüngliche, die Frucht verloren. Deswegen haben wir ab 1997 auf den biologischen Säureabbau verzichtet – und siehe da – der Wein schmeckte um ein Vielfaches ursprünglicher und fruchtiger. Ebenso wie ihn die Traube erschaffen hat. Dass, was wir gemacht haben, war die Lage sprechen zu lassen.

Das müssen Sie mir bitte erklären.
Der Wein soll sich natürlich und ursprünglich entwickeln und nicht durch meine Maßnahmen im Keller beeinflusst werden. Den Blauburgunder ernten wir heute beispielsweise mit einem Zuckergehalt der etwa 12,5 bis 13 Volumenprozent Alkohol ergibt. So entstehen Weine bei denen Eleganz und Feinheit im Vordergrund stehen – und nicht deren Wucht.

Für was stehen ihre Weine?
Für einen mineralischen Weißburgunder und für einen eleganten Blauburgunder. Bei letzterem verwenden wir beispielsweise keine neuen Barrique-Fässer, sondern nur wenigstens ein- oder mehrmals gebrauchte. Schließlich wollen wir im Wein die sprechen lassen. Ich habe mal gelesen, dass Uli Hoeneß, der Präsident des FC Bayern gesagt hat: „Der Verein steht über allem.“ Damit meinte er, dass der Verein wichtiger sei als einzelne Spieler, Trainer und sogar Vorstände. Bei mir steht der natürliche und ehrliche Wein über allem. Für einen guten Winzer ist der Wein der Haupt-Protagonist. Und nicht er selbst.

Und dieser wächst hier auf den steilen, klein parzellierten Flächen. Sind Sie damit wirklich glücklich?
Sagen wir es so: ich nehme die Realität und die Gegebenheiten, die wir hier haben, an. Was bleibt mir auch anderes übrig? (grinst). Im Ernst: der Ort, an dem ich hier arbeiten darf, ist archäologisch geschützt. Die steile Lage vereinfacht die Arbeitsprozesse sicherlich nicht, ebenso die vielen Mauern. Ich sehe das aber positiv: die Felsen und Mauern aus Gneis stützen unsere wertvollen Reben, sie sorgen für Standhaftigkeit, Wärme und Lebensraum. Gepaart mit dem einmaligen Klima am Vinschgauer Sonnenberg spiegelt sich das ganz deutlich in unseren Weinen wieder.

Das klingt sehr philosophisch.
Seit Jahrhunderten bauen Menschen hier schon irgendwelche Dinge an. Die ersten Nachweise für die Terrassierung dieser Hänge mit Trockenmauern deuten auf die mittlere Bronzezeit – also etwa auf 1700/1800 Jahre vor Christus. Mit großen Maschinen kommen Sie in den steilen Hügeln nicht weit. Wenn Sie also hier erfolgreich Wein anbauen wollen, dann geht das nur, wenn viel Handarbeit geleistet wird.

Sie wollten wirklich nie etwas ändern?
Das wäre nicht wirklich möglich gewesen. Unsere Trockenmauern überbauen Felsen, gliedern Flächen zwischen Felsbändern. Wir leben an einem Berg! Und zudem habe ich höchsten Respekt vor dem, was Menschen Generation für Generation geschaffen haben. Auch aus diesem Respekt haben wir die Mauern einfach stehen lassen. Daran werde ich auch nichts ändern. Die Lage hier oben ist für uns Verpflichtung und Herausforderung zugleich. Unser Wein schmeckt vielleicht auch deswegen so gut, weil mehrere Komponenten zusammenkommen: der leicht erwärmbare Urgesteinsverwitterungs-Boden, die hohen Tagestemperaturen durch die Ausrichtung nach Südosten sowie eine ausgeprägte Abkühlung in der Nacht durch den kühlen Luftzug aus dem Schnalstal. Selbst dem Ötzi hat das hier wohl gut gefallen.

Wie kommen Sie darauf?
Die Gletscherleiche wurde ja nicht nur hier in der Nähe gefunden. Die wissenschaftlichen Untersuchungen haben ergeben, dass der Mann vor seinem Tod auf dem Hauslabjoch im Schnalstal zumindest die letzten zwölf Jahre auf Juval gelebt haben muss. Er war also ein Juvaler. Juval muss aus verschiedenen Gründen seit jeher Menschen magisch angezogen haben.

Das hat Sie das Gebiet anscheinend auch. Sind Sie eigentlich schon immer ein rechtlich Selbstständiger?
Was die Gründung des Weingutes angeht war es ein Schritt in die Selbstständigkeit, da wir es im Pachtverhältnis betreiben. Reinhold Messner hat uns als Eigentümer des Hofes bei der Anlage der Weinberge vollkommen freie Hand gelassen und uns unterstützt wofür ich ihm noch heute großen Respekt zolle. Bei der Entstehung und Entwicklung des Weingutes haben sich im Grunde zwei Dinge getroffen. Reinhold Messners Vision einer Berg-Landwirtschaft, die wertvolle Produkte erzeugt und der Zwang unter erschwerten Bedingungen am Berg besonders gute Weine erzeugen zu müssen. Schließlich muss sich die teurere Produktion ja auch rechnen.
Mit dem Erlös und den Resultaten bin ich glücklich. Sehr sogar.

Schnell wachsen können Sie aber nicht. Sie können ja nur die Flächen nutzen die vorhanden sind.
Das Grundbedürfnis nach maximaler Profit-Ausbeute hatte ich noch nie. Wir machen unsere Weine mit voller Liebe, absoluter Hingabe und totaler Leidenschaft. Das merken sowohl unsere Mitarbeiter als auch unsere Kunden die teilweise hunderte von Kilometern herfahren, um unseren Wein vor Ort zu kaufen. Ebenso wissen das Steffi und Paul Grüner von der Goldenen Rose. Die beiden stehen ja für die gleichen Werte ein wie wir. Wenn also ein qualitativ hochwertiges Essen der Goldenen Rose mit einem qualitativ hochwertigen Wein von Juval zusammenkommen – dann ist das eine Win-Win-Situation für jeden.

Das bedeutet in Zahlen?
Etwa 38000 Flaschen Jahresproduktion Wein und etwa 3000 Flaschen Destillate aus unserer Hofbrennerei.

Hat Reinhold Messner eigentlich eine Ahnung wie man beispielsweise Wein lagert?
Ich denke jeder hat bei uns am Berg seine Aufgabe und ist Spezialist.

Wie oft waren Sie mit Messner schon einen Gipfelwein trinken?
Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht was das ist.

Das ist ein Brauch, der aus der Zeit des Eroberungs-Alpinismus im 19. Jahrhunderts stammt. Die reichen Engländer kamen in die Alpen um die Viertausender zu besteigen. Es war damals üblich, sich auf dem Gipfel zuzuprosten und dann eine Visitenkarte in die leere Weinflasche zu stecken und diese als Beweis, dass man auf dem Gipfel war, zu deponieren.
Ich bin nicht unbedingt derjenige, der sich Mut für den bevorstehenden Abstieg antrinken muss. Das liegt wahrscheinlich daran, dass meine bergsteigerischen Fähigkeiten im Vergleich zu Reinhold dann doch eher sehr begrenzt sind. Was ich aber nachvollziehen kann, ist, dass es bestimmt ein besonderer Moment ist, wenn man endlich oben auf dem Gipfel steht, das Fläschchen Wein aus dem Rucksack holt und mit seinen Bergkameraden und Seilpartnern auf die Strapazen, die Aussicht und das Leben anstoßen kann.

Was kann Messner von Ihnen in Sachen Wein lernen?
Zunächst hat er einen sehr sicheren Geschmack. Er zieht unseren Rotwein den Weißweinen vor, aber ich denke er schätzt sie. Der Weinbau selbst hat ihn im Einzelnen nur am Rande interessiert. Zu anfangs war er der Meinung, dass wir hier von oben bis unten nur Rotwein anbauen sollten. Da die Bedingungen aber nicht dafürsprechen, konnte ich ihn überzeugen, dass der Juvaler Berg zwar auch für einen feinen Blauburgunder, aber daneben auch für tolle Weißweine geeignet ist. Es gibt zum Glück genügend Menschen auf der Welt die Weißwein trinken.

Was konnten Sie von ihm lernen?
Seine direkte und unabhängige Art. Er lässt sich durch nichts und niemanden vereinnahmen. Dabei vertraut er auf seine Stärken, seine Zweifel und auch seine Ängste. Das imponiert mir sehr.

Das war Günther Jauch von Ihnen wohl auch. „Als Bergsteiger Reinhold Messner alle 14 Achttausender bezwungen hatte, gab es eine Sonderausgabe des ‚Aktuellen Sportstudios’ aus Südtirol, die ich moderieren durfte“, erzählte der TV-Moderator mal in einem Interview. Bei dieser Gelegenheit haben die Einheimischen tolle Weine serviert, so Jauch. Sind Sie verantwortlich, dass auch er Winzer wurde?
Das würde ich mir im Leben nicht anmaßen. Ich kann mich aber noch gut erinnern. Es muss Ender der 90-er Jahre gewesen sein. An einem Sonntagmorgen klingelte es bei uns. Vor der Tür standen die zwei Familien Messner und Jauch. Ob sie hineinschauen dürften, haben sie gefragt. „Natürlich gerne, kommen Sie nur hereinspaziert“, habe ich gesagt. Sie haben sich für den Keller und die Fässer interessiert.

Sie verkaufen aber nicht nur Weine, sondern auch Grappe und Fruchtbrände aus den eigenen Trauben sowie aus den selbstangebauten Obstarten.
Am Umsatz macht dieser Bereich zwar nur 20 Prozent aus, er wächst aber stetig. Die Destillation führen wir in unserer eigenen Hofbrennerei mit dem aufwändigen Doppelbrennverfahren im Wasserbad durch. Danach werden die hochprozentigen Destillate mit dem reinem Juvaler Quellwasser verdünnt.

Und was kann ihr Schnaps was andere nicht können?
Das sollten Sie bitte die Menschen fragen denen unsere Brände schmecken. Das einzige, was ich sagen kann, ist, dass unsere Destillate sehr fruchtig, sehr weich und auch sehr aromatisch schmecken. Mir ist bei den Destillaten wie beim Wein vor allem eines wichtig: unsere natürlichen und mit Liebe erstellten Produkte müssen immer rein und authentisch sein.

Was genau brennen Sie Schönes?
Eine Leidenschaft gilt der Kornelkirsche, einer Wildfrucht, lateinisch „Cornus mas“. Das Destillat steht für vielseitige, süßliche Fruchtigkeit,
In anderen Regionen wird sie auch Dürlitze oder Hirlnuss genannt, in Österreich Dirndl, Dirndling und Dirndlstrauch. Eine weitere absolute Besonderheit ist unser Edelkastanien-Brand „Castanea“, der im Edelkastanienholz zwei Jahre gelagert wird, ebenso der Apfelbrand aus baumgereiften Vinschgauer Bio-Golden Delicious-Äpfeln. Natürlich destillieren wir auch die Klassiker wie Zwetschgen, Williams-Birnen und Marillen, meine persönlichen Lieblinge sind aber der Quittenbrand und unsere sortenreinen Grappe aus Weißburgunder, Riesling und Blauburgunder.

Derzeit boomen aber vor allem Gin und Whiskey.
Da haben Sie vollkommen Recht. Um die Wertigkeit von edlen Fruchtbränden zu unterstreichen haben wir das Label „brenn.kunst“ kreiert. In dieser neuen Edition treffen sich Edelbrände und Kunst, handwerkliche Veredelung von Früchten aus der Hofbrennerei mit der künstlerischen Gestaltung der Etikette von zwei Künstlerinnen unserer Familie.

Was ist für Sie ein perfekter Abend?
Schauen Sie, hier hat es heute so rund 30 Grad. Vollkommenes Glück ist für mich heute Abend irgendwo an einem Ort zu sitzen und ins Tal zu blicken, dabei einen reifen Riesling zu trinken und dazu einen nicht zu pikanten Käse vom Oberniederhof mit gutem Brot zu essen. Darf ich mir noch etwas wünschen?

Immer gerne.
Dann wünsche ich mir, dass meine Frau Gisela mit mir den Abend genießt. Wir diskutieren und philosophieren über unseren eigenen und anderen Weinen. Für mich ist das das Schönste auf der Welt, Weine zu schmecken und zu erleben.